Internet trieb Joel in den Tod

13-Jähriger Kärntner nahm sich vergangenen Mai das Leben, weil er bei Facebook gemobbt wurde. Seine Mutter schildert nun die Umstände der Tragödie und will aufrütteln.
Joel wurde nur 13 Jahre alt

Joel legt sich auf die Bahngleise. Eigentlich wollte er mit Freunden zum GTI-Treffen. Das Rattern des Zuges wird lauter. Joel entschließt sich, liegen zu bleiben. Zu schwer ist das Leben für ihn geworden. Joel hat gerade erst seinen 13. Geburtstag gefeiert. Auf der Suche nach dem Warum offenbart sich ein erschreckender Trend.
Schikaniert und erniedrigt

Warum hat sich mein Kind entschieden, seine Probleme durch den eigenen Tod zu lösen? Was war für Joel so schlimm, dass er es nicht mehr verkraften konnte? Seit jenem 14. Mai 2010 sucht die sechsfache Mutter Michaela H. nach einer Antwort. Und findet Unfassbares heraus: Wochenlang wurde Joel in der Schule und im Internet schikaniert, erniedrigt, beleidigt. „Ich wusste, dass er wegen seiner paar Kilos zu viel gehänselt wurde oder wegen seiner Kleidung. Er wollte immer Hilfiger haben, aber ich hatte dafür kein Geld“, sagt sie und macht sich Vorwürfe. „Ich habe unterschätzt, wie wichtig ihm Designer-Kleidung ist.“ Seine schulischen Leistungen ließen nach. „Ich habe mir gedacht, das ist eine normale Null-Bock-Phase, dass er seelisch zerbricht, war mir nicht bewusst.“ Über das Mobbing an der Schule hat Joel nicht viel geredet. „Ich habe ihm einmal gesagt, nimm deine vier älteren Brüder mit in die Schule. Er hat nur gesagt: ,Mama, Gewalt ist keine Lösung‘. Er wollte immer nur Frieden.“

Am 14. Mai wollte Joel mit seinem besten Freund zum GTI-Treffen. Vorher besuchten sie noch Joels „Facebook“-Seite. Dort sahen sie, dass einer von Joels vermeintlichen „Freunden“ einen Link mit einer pornografischen Seite gepostet hat. Darin wird der 13-Jährige als homosexuell dargestellt – mit Bild. „Joel war laut seinem Freund total schockiert. Er sagte, dass sie jetzt nicht nur über ihn lachen, sondern ihn jetzt auch noch als schwul abstempeln.“ Er lief aus dem Haus – direkt zu den Gleisen. Sein Freund konnte ihn nicht mehr einholen.
„Nicht totschweigen“

„Ich verstehe nicht, warum das niemanden interessiert! Mein Kind wurde im Internet in den Tod getrieben. Ein Klick hat genügt“, sagt Michaela H. „Das sollte man nicht totschweigen. Joel wollte mit seinem Tod aufzeigen, was ihm angetan wurde.“ Michaela H. möchte andere Eltern wachrütteln: „Man sollte schauen, was die Kinder im Internet machen, was sie in ihr Profil schreiben, welche Spiele sie spielen. Ich habe das leider völlig unterschätzt, Joel ist ja stundenlang vor dem Computer gesessen. Mir waren auch die Gefahren nicht bewusst.“

Wer für die Porno-Seite bei Facebook verantwortlich ist, ist nicht mehr zu ermitteln, da der Vater alle Spuren Joels im Internet gelöscht hat. Die Porno-Seite, die Joels Namen trägt, ist weiterhin online. Joels bester Freund hat mittlerweile die Schule gewechselt.
„Täter“ bleibt ungestraft

Laut Staatsanwalt Helmut Jamnig wurde in diesem Fall routinemäßig ermittelt. Das Verfahren wurde nach wenigen Tagen eingestellt. Es konnte kein Fremdverschulden festgestellt werden. Grundsätzlich, so Jamnig, muss ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegen, damit die Staatsanwaltschaft aktiv wird. „Bei Cyber-Mobbing ist das ein Problem“, sagt Jamnig. Möglich wären etwa die Delikte „Beharrliche Verfolgung“ oder „Gefährliche Drohung“. Eine Bloßstellung wäre möglicherweise privatanklagefähig.
Für Schule ein Tabuthema

Joels Mutter ist über die Reaktion der Schule, es handelt sich um ein Klagenfurter Gymnasium, betroffen. So wurde etwa im Religionsunterricht Joels Selbstmord auf familiäre Probleme zurückgeführt. „Natürlich gibt es, wie in jeder Familie, Probleme. Aber das Verhältnis von Joel zu uns Eltern, war immer gut“, sagt die Mutter. Dass er über Wochen von Schulkameraden gemobbt wurde, will man in der Schule nicht wahrhaben.
CLAUDIA BEER-ODEBRECHT

Quelle: http://www.kleinezeitung.at/kaernten/2657758/internet-trieb-joel-den-tod.story

Unser Kommentar:
Joel ist kein Einzelfall. Die Medien greifen diese Todesfälle zunehmend auf. Der Vorwurf schwul zu sein, treibt viele junge Männer und jugendliche zum Selbstmord. Schwul-sein ist noch immer eine Beschipfung. Das zeigt, wie weit wir von Toleranz entfernt sind.
Da mag es einen schwulen Ole von Beust geben, einen schwulen Bürgermeister in unserer Hauptstadt und einen mit einem Schwulen verheirateten Außenminister und sie alle zeigen sich in der Öffentlichkeit und stehen zu ihrer Homosexualität.
Bei unseren Kindern und Jugendlichen jedoch ist diese Botschaft noch nicht angekommen. Solange Homosexuelle nicht in Schulen gehen, den Kindern zeigen, wie schwer ihr Leben in der Pubertät war, wie sehr sie darunter gelitten haben, anders zu sein, wird sich an unseren Schulen nichts ändern. Schwul-sein gilt als Makel. Der Verdacht schwul zu sein, wird als Trauma erlebt und mancher überlebt es nicht.
Es gibt auch keine Untersuchung, wie hoch der Anteil bei Suiziden ist. Homosexualität ist noch immer ein Tabu-Thema.
Statt im Bio-Unterricht die Bienchen und Blümchen zu untersuchen und zu lernen, wieviel Blütenblätter eine Blume hat, wäre hier mal die Funktion des Menschen mit seinen Gefühlen, Ängsten und Traumata angesagt.
Ökologie-Unterricht, ganzheitliche Betrachtungen, die die Seele einschließen könnte hier ein Umdenken bei Kindern und Jugendlichen bewirken.

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Über Ricarda

Margit Ricarda Rolf - Gründerin und Leiterin der Mobbing-Zentrale mit mehr als 12.000 erfolgreich beendeten Mobbingfällen.
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5 Antworten zu Internet trieb Joel in den Tod

  1. Ricarda sagt:

    Hallo Fritz,

    Begriffe wie „schwul sein“, „Hurensohn“, „Schlampe“ und ähnliches haben tatsächlich Einzug gehalten und werden häufig von türkischen Mitschülern benutzt. Als mein jüngster sohn weinend nach Hause kam, weil türkische Mitschüler ihn Hurensohn nannten, habe ich ihn gefragt, ob er wüßte, was eine Hure ist. Er wußte es nicht und ich erklärte es ihm.

    Da er ehelich geboren ist, war seine Reaktion: „Die sind ja dumm.“

    Aus meiner Sicht sollte hier in der Schule im Ethikunterricht Aufklärung erfolgen. Es mag sein, dass in vielen muslimischen Familien Jungfräulichkeit und Keuschheit hohe Werte darstellen. Das darf jedoch nicht dazu führen auf Andersgläubige herabzusehen und sie zu beschimpfen. Integration hat hier noch eine große Aufgabe zuerfüllen.

  2. Fritz sagt:

    „Schwul-sein ist noch immer eine Beschipfung.“ Man könnte auch schreiben „eine zunehmende Beschimpfung“ je höher der Anteil islamischer Schüler ist.

  3. M.Trojan sagt:

    Es ist traurig wenn man hört dass ein Junger Mensch von uns gegangen ist der noch sein ganzes leben vor sich hatte. Ich bekomme Hass wenn man in den Medien erzählt bekommt wie schön unser zusammen leben und wie wichtig Harz 4 und Politik sei, wobei das wichtigste Außer acht gelassen wird – die Menschlichkeit. Wenn Medien vorher anstatt immer erst nachher erklärt hätten wie man sich schützen kann, wo man sich helfen lassen soll – dann würde Joel noch leben. Würde man Mobbing „Täter“ hart bestrafen – egal welches Alter – dann würde dies Veränderung bringen. Wo möglich hätte dies vielen Opfern geholfen. Aber unser Land, unsere Politik und unsere Gesellschaft erfordert UND beweist es Tag für Tag, – es muss immer erst etwas schreckliches Geschehen bis man überlegt… Was könnte man ändern…
    Für die Mutter und den Angehörigen und allen anderen Trauernden haben ich tiefes Mitgefühl und ich möchte ihnen mein Tiefstes Beileid aussprechen.
    Rest in Peace Joel

    By M.Trojan

  4. Ricarda sagt:

    Schwul sein, wenn man es nicht ist, das ist ein Vorwurf für Jungen, der hart trifft. Wenn ein Kind sich das Leben nimmt, sind wir ratlos. Es wäre an der Zeit, zu lernen mit Konflikten besser umzugehen.

    Das fängt im Kindergarten an. Ausgrenzung ist immer falsch. Wir brauchen neue Konzepte.

  5. Look sagt:

    Aus meiner Sicht war einfach das „Faß“ bei Joel schon voll. Unabhängig von schwul oder nicht schwul. Man vergißt bei dieser Diskussion ganz, dass er über einen langen Zeitraum in jeglicher Hinsicht erniedrigt und gedehmütigt wurde. Irgendwann macht auch die stärkste Seele dicht. Mich hat der Bericht im Fernsehen insofern berührt, da ich eine 9jährige Tochter habe, die seit der ersten Klasse ähnliches in in der Schule erlebt. Jedoch wegen dem Alter noch nicht im Internet sondern in verbaler und körperlicher Form. Als ich den Bericht der Mutter sah und sie über die Aussagen von Joel sprach, hatte ich die Worte meiner Tochter im Ohr. Sie hat sich mir gegenüber in ähnlicher Form geäußert. „Die schwächeren schließen sich der Gruppe nur an, um nicht irgendwann auch Opfer zu sein“. Selbst die „eigentlich Netten“ machen mit. Nun ist sie Ende der 4. Klasse und hat kaum noch Lust zur Schule zu gehen. Bei Lehrern und Eltern trifft man auf taube Ohren. Es wird damit abgetan, dass wir selber es doch auch ähnlich in der Schule erlebt haben und man muß ebend lernen seine Ellenbogen zu benutzen. Das erwartet in der Zukunft die Gesellschaft von uns, erst recht im Berufsleben. Welch erquickende Aussagen!!!!
    Da ich seit 3 Jahren eine Reihe von Sprechstunden bei verschiedenen Institutionen und Therapeuten mit und ohne Kind hatte und nichts wirklich geholfen hat, habe ich den Bericht von Joel im Fernsehen für mich als aktuellen Anlaß genommen. Ich habe die Religionslehrerin gebeten mir 10 Min ihres Unterrichts zu schenken. Ich fragte die Kinder was für sie Nächstenliebe bedeutet und hielt danach einen Vortrag über Toleranz, Akzeptanz und gab Anregungen, wie man mit innerer Wut und Unruhe umgehen könne ohne sie an anderen Lebewesen auszulassen. Zum Schluß habe ich auf den tragischen Fall von Joel aufmerksam gemacht. Die Frage, wie sich wohl diejenigen fühlen mögen, die Joel zu diesem Schritt getrieben haben und wie man mit solcher Schuld weiterleben und umgehen kann, hat hoffentlich zum nachdenken angeregt. Obwohl meine Tochter wieder mit gutem Gefühl zur Schule geht, bleibt mein Unverständnis dafür, dass man nur mit Eigeninitiative etwas erreichen kann. Niemand erkennt anscheinend die Tragweite der zwar kindlichen aber doch schwerwiegenden Auseinandersetzungen oder niemand fühlt sich verantwortlich. Es steht hier auch nicht die Frage nach Schuld oder nicht Schuld sondern eher warum erkennt man nicht die fehlende Aufklärung insbesondere an Schulen. Mit ein bißchen Einfühlungsvermögen und Menschenkenntnis (die doch ein Pädagoge haben sollte) muß man einen verzweifelten Schüler erkennen. Dass sich die meißten pubertären Teenager dem Elternhaus verschließen ist doch nichts neues. Dem Elternhaus die Schuld zuzuschieben ist natürlich sehr einfach!!!!
    Der Bericht über den tragischen Tod von Joel hat mich wachgerüttelt und ich Danke Joels Mutter für die offenen und ehrlichen Worte im Interview.

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