Forum für Beleidigungen
Die Prügelei auf dem Pausenhof ist passé. Heute gibt es dafür einen anderen Ort: das Internet. Mobbing im Internet – als Cyber-Bullying bezeichnet – ist ein weltweites Problem. Moderne Spielarten von Rufmord, Beleidigung, übler Nachrede, Geschäftsschädigung, Identitätsklau, Verhöhnung von Opfern, bis Psychoterror werden hier bedient.
Hänseln, Bloßstellen und Diffamieren von Personen mittels Handy, Digitalfoto, Video oder Internet gehören im interaktiven Web 2.0 ja leider schon zum Alltag. Dabei werden oft Straftatbestände wie Verleumdung, Beleidigung, üble Nachrede oder Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Verbreiten von Fotos ohne Zustimmung der Fotografierten erfüllt.
Aktuell lockte seit ein paar Wochen eine Internetseite die Jugendlichen mit dem Versprechen, andere aufs Schlimmste beleidigen, aber selbst dabei anonym zu bleiben.
Die Internetseite von Aaron G. heißt „iShareGossip.com“. Der Server saß in Amerika und im Impressum wurde eine Postfachadresse in Neuseeland angegeben. Jeder durfte dort Klatsch und Tratsch veröffentlichen und damit niemand aufpassen musste, was er sagt oder wen er kränkt, wurde ohne Anmeldung, angeblich anonym, gepostet. Zu jeder Schule konnten Diskussionsforen angelegt und dort über Klassenkameraden, aber auch Lehrer herzogen werden. In der Rubrik „Klingerschule Frankfurt“ etwa fragte jemand, was von einem bestimmten Lehrer – sein Nachname wird genannt – zu halten sei. Er „soll mal endlich zu rente gehen der pedo“, antwortete ein Schüler, ein anderer schrieb: „Der macht einen auf playboy bei den mädchen, am ende lässt er sie sitzenbleiben hahaha“. Siebtklässlerinnen mussten Diskussionen darüber ertragen, ob sie womöglich „gut blasen“, ob sie die Hässlichste im Jahrgang sind oder billige Kleidung tragen. Achtklässler, die keine Freundin haben, wurden als „schwul“ bezeichnet, andere als „Opfer“.
Der volle Name der Jugendlichen stand häufig in den Einträgen. Wer sie geschrieben hat, blieb dagegen geheim: „egal, ob ein Polizist, ein Lehrer/Direktor oder ein Anwalt anfragt“, heißt es auf der Startseite, und dann, in Großbuchstaben: „Wer etwas anderes behauptet, ist ein Lügner und will euch Angst machen.“ Zum Teil wurden auch Bilder von einzelnen Jugendlichen oder Paaren auf die Seite gestellt und höhnisch kommentiert. In einigen Beiträgen sogar Lehrer aufs gröbste beleidigt.
Aaron G. wollte ein Forum – größer als Facebook – schaffen, wo jeder seine Meinung sagen kann. „Ein Spiegel der Gesellschaft“, bei dem Jugendliche keine anderen Sorgen hätten, als Beleidigungen im Netz zu verbreiten. Um für „iShareGossip.com“ zu werben hat er sich unter dem Kürzel „isg“ bei mehreren Foren in Deutschland angemeldet inkl. dem Versprechen von einem Geldgewinn für die Geschichten, die am meisten Wirbel machen.
Inzwischen hat ihn der Provider in den USA gesperrt und der Blog steht unter Beobachtung.
Nicht nur beleidigende und belästigende Inhalte, sondern auch die unerlaubte Veröffentlichung von Bildern anderer im Netz ist weltweit ein Vergehen. Die Organisation „jugendschutz.net“, die prüft, ob Jugendschutzbestimmungen im Internet eingehalten werden hat das Unternehmen, das Aaron G. Speicherplatz zur Verfügung gestellt hat, angeschrieben und gebeten, die Seite wegen Verstößen gegen allgemeinen Geschäftsbedingungen zu löschen. Droht man einem Provider an – auch einem im Ausland, dass er verklagt wird, wenn er die Seite nicht raus nimmt oder den Namen des Betreibers schützen will, dann wird es teuer für den Provider. Die USA sind besonders sensibel bei dem Thema. Sogar youtube nimmt Sachen sofort raus, wenn eine Klage ins Haus steht. Begründung: Verstoß gegen die AGB.
„Da die Täter beim Cyber-Mobbing anonym bleiben können, sind auch Jugendliche gefährdet, die keine typischen Opfer-Merkmale aufweisen“. Heute könne es schon genügen, dass eine Freundschaft oder eine Beziehung geplatzt ist, um in der Schusslinie zu stehen. Mobbing kann also jeden treffen. Die Zeit heilt alle Wunden. Mit diesem Spruch können wir uns leider im Hinblick auf das Internet auch nicht trösten. Was ins Internet kommt wird gespeichert. Suchmaschinen haben hierfür extra eine Funktion: „Cache“. Dort kann eine Webseite noch nach Monaten, manchmal nach Jahren besucht werden, obwohl sie u. U. schon lange nicht mehr existiert.
Allgemein gilt: Das Internet vergisst nichts! Das Internet ist das Gedächtnis der Welt – aber nicht ihr Gewissen!
Eltern und Lehrer sind oft ahnungslos, was die Kinder im Internet treiben und was ihnen widerfährt. Jugendliche, die Opfer von Cyber-Mobbing geworden sind, sollten unbedingt ihren Eltern davon erzählen. Sind die Täter Mitschüler, sollten die Lehrer eingeschaltet werden. Es ist Sache der Schule, dann tätig zu werden. Macht der Klassenlehrer nichts, hilft vielleicht der Vertrauenslehrer. Schlimmstenfalls müssen die Eltern die Schulleitung einschalten.
Theoretisch sind die Eltern aufgefordert, den Internetzugang, den sie ihren Kindern bereitstellen, zu überwachen. In den Routern ist das Sperren von entsprechenden Webseiten ohne Aufwand möglich, ja kann dort nachgeschlagen werden, ob vom eigenen Internetaccount die Cybermobbingplattform aufgerufen wurde. In der Praxis sieht das meist anders aus, denn was außerhalb der eigenen vier Wände passiert, wie bei Freunden, in der Schule oder im Internet-Café, da sind wir Eltern oft machtlos.
Ein Jugendlicher aus Berlin schreibt, die Lästereien zeugten „einfach nur von Hobbylosigkeit und Dummheit. Beschäftigt euch mit was anderem. Da sind ja sogar Hausaufgaben noch besser“.
Ein anderer: „Die Seite zeigt nur zu gut, dass die meisten Jugendliche sich nicht trauen, selbst zu einer Person zu gehen und ihr zu sagen was sie von ihr halten. Wer sie nutzt, will, dass alles anonym bleibt. An meiner Schule machen wir es jetzt so, dass wir keine Gerüchte mehr auf der Seite verbreiten, sondern nur noch Sachen aus Wikipedia auf der Page posten oder den neuesten Gossip aus der Star-Welt. Macht es auch so und zieht die Funktionen der Seite ins Lächerliche – dann ist sie hoffentlich bald raus aus dem Netz … oder keine Sau interessiert sich mehr dafür!“
Dieser Meinung kann ich mich nur voll und ganz anschließen…
…verwandelt das Internet nicht in eine Müllhalde. Gebt iShareGossip & Co. KEINE Chance!
Betroffene Schulen und Eltern betroffener Kinder können sich an folgenden Arbeitskreis wenden und Informationen anfordern:
Mobbing-Zentrale Arbeitskreis IShareGossip
Postfach 52 03 01
22593 Hamburg
Tel. 040/219 83 289
Quelle: http://www.taunus4family.de/de/kolumne-artikel/artikel/forum-fuer-beleidigungen.html