BIELEFELD
Mobbing: Mädchen geschlagen und bedroht
15-jährige Bielefelderin von Mitschülerinnen drangsaliert
VON KURT EHMKE
Bielefeld. Seit Monaten sehen Paulas* Tage gleich aus: Morgens die Angst vor der Schule, in der Schule warten zwei Mädchen und drangsalieren sie, nach der Schule Tränen, abends im Internet Drohungen. Ruhig schläft die 15-Jährige nie. Sie wird als Plastic Bitch (Plastik-Miststück) und Barbie beschimpft. Für Mitschüler sichtbar werden Fotos im Internet gezeigt; so eine Barbie mit Messer am Kopf. Jetzt wurde sie körperlich verletzt, seelisch ist sie es seit langem.
Mobbing der harten Sorte. So nennt das Lothar Rösler, der für die Polizei im Sozial- und Kriminalpräventiven Rat sitzt. Richtig sei, dass Paulas Eltern Anzeige erstattet hätten. Für ihn geht der Vorfall an der Bosse-Realschule über Mobbing hinaus. Anzeige erstattete die Mutter wegen Körperverletzung – gegen die beiden Mädchen. Über die Schulleitung, die sie zunächst auch anzeigen wollte, will sie sich bei der Bezirksregierung beschweren. Andere Schüler berichten, es ginge unter anderem um Streitigkeiten in der Schülervertretung.
Der Vorfall: Paula kam im Sommer neu an die Schule, ihre Mutter war nach Bielefeld gezogen. Paula nahm Kontakt zu Mitschülern auf, wie bei Jugendlichen üblich über soziale Netzwerke im Internet, so SchülerVZ und Facebook. „Ich habe ein Foto von mir reingestellt und geschrieben, dass ich mich auf die Schule freue.“ Sie, ein attraktives junges Mädchen, geriet damit offenbar ins Visier zweier Mädchen, die an der Schule angeblich bekannt sein sollen für Mobbing. „Sofort bekam ich Drohungen, es hieß, sie würden mich schon loswerden, ich würde nicht lange an der Schule bleiben“, sagt Paula und zittert dabei am ganzen Körper.
„Jeder kriegt was er verdient“
Tränen fließen. Das Mobbing verließ die virtuelle Welt, fand seinen Weg in die reale. Auf dem Schulhof wurde sie geschubst, wurden Mädchen, mit denen sie sich anfreundete, bedroht. Mal wurde ein Bein gestellt, mal standen die beiden Mädchen die gesamte große Pause vor ihr und starrten sie nur an. So schildert Paula die Vorfälle. Im Internet ist zu lesen, dass sie mit Trinkpäckchen beworfen wurde, „leider nicht getroffen“, aber immerhin sei Paula an den Haaren gezogen worden. „Jeder kriegt was er verdient.“ Und weiter: „Denk dran, ich bin eine übelst aggressive Furie und schlage jeden.“
Das geschah. Erst wurde, so die Eltern und Paula, vor Weihnachten ein zu ihr haltendes Mädchen geschlagen, dann am Montag sie. Krankenhausreif. Der Bericht liegt der NW vor: Schädelprellung, Hautabschürfungen am Kopf, ausgerissene Haare.
Ihre Eltern: „Wir haben vor Wochen die Schulleitung angesprochen, jetzt erneut.“ Passiert sei nichts, jetzt habe die Leiterin, Andrea Prochnau, ein Gespräch verweigert, darauf verwiesen, sich einen Termin geben zu lassen. „So kann man mit Eltern in so einer Sache nicht umgehen“, sagt die Mutter. Paula, die psychisch nicht zu einem Schulbesuch in der Lage ist, soll nun wechseln.
„Gravierendes Mobbing gibt es nicht“
Schulleiterin Andrea Prochnau schildert die Lage anders. Eltern müssten Verständnis dafür haben, dass sie einen Termin bräuchten. Der erste Vorfall sei vom Klassenlehrer aufgeklärt worden, „das hatte nichts mit Paula zu tun“. Paula sei nur Zeugin der Schläge gewesen. Im Fall vom Montag habe sie als Leitung die beiden Mädchen gesprochen, müsse nun noch mit Paula sprechen. „Vorher kann ich dazu nichts sagen.“ Fakt sei: „Gravierendes Mobbing gibt es nicht.“ Das Internet liege zudem außerhalb der Schule, „das müssen die Eltern mit den anderen Eltern klären“. Das Problem sei ein Fass ohne Boden.
* Name/Alter geändert
Quelle: http://www.nw-news.de
Das Verhalten der Schulleiterin ist typisch in Deutschland, aber leider falsch! In Hamburg gibt es seit 2007 ein Konzept gegen Mobbing. Schulleitungen und Lehrer wurden nachgeschult und wissen, wie sie mit Mobbing und Gewalt in der Schule umzugehen haben. Unternehmen Schulleiter nicht sofort etwas gegen Mobbing, so haften sie – auch mit ihrem Privatvermögen! Sie können außerdem sowohl strafrechtlich, als auch disziplinarisch belangt werden. Und die beiden Täterinnen laufen Gefahr sich durch ihre Aggressivität das gesamte weitere leben zu versauen. Hier wäre dringend angezeigt, den Mädchen klarzumachen, dass auch sie haften, ihr Verhalten strafrechtliche Konsequenzen hat und sie zu Schadensersatz verurteilt werden können. sind sie dann nicht in der Lage den Schaden zu ersetzen, droht ein Schufaeintrag mit der Folge, dass sie keinen Handyvertrag bekommen, womöglich keinen Ausbildungsplatz und der Start ins Erwachsenenleben sehr steinig ist. Die Schulleitung hätte hier schon längst präventiv tätig werden müssen, denn die Täterinnen sind offensichtlich so verhaltensauffällig, dass es schwer sein dürfte vor Gericht gleubhaft zu machen, davon nichts bemerkt zu haben. Die Ausrede, der Konflikt hätte sich ja zunächst im Internet ereignet, zeigt ledigleich auf, dass an jener Schule die Jugend im Umgang mit dem Internet nicht auf das Leben vorbereitet worden ist. Wenn diese Schulleiterin letztlich ihren Hut nehmen müßte – wie so viele andere übrigens auch – dann wäre das ein Riesenschritt in die richtige Richtung. Wer eine Schule leitet, dem vertrauen wir unsere jungen menschen an. Er sollte auch die Qualifikation besitzen und die soziale Kompetenz den jungen Menschen Konfliktfähigkeit beizubringen. Ich bin sicher, dass an dieser Schule das Fach „Soziales Lernen“ nicht unterrichtet worden ist.
Habe gerade einen Hinweis auf diesen Fall bekommen. Stimmt es, dass die Schulleitung verklagt worden ist? Kennt jemand den aktuellen Stand?
Ich fürchte, dass viele Lehrer und Schulleitungen nicht einmal ahnen, was echtes Mobbing für die Betroffenen bedeutet. Vielleicht sind sie auch einfach nur überfordert … oder haben sie schlicht und einfach selber Angst vor den Aggressoren? – Das mögen Erklärungen sein, aber keine Entschuldiung für unterlassene Hilfeleistung. Und wenn dann noch der Spiess umgedreht wird und der Schüler/die Schülerin beschuldigt wird, selbst Schuld zu sein, verhaltensgestört zu sein, …
Fachleute wissen, dass Mobbing spätenstens nach einem halben Jahr zu Persönlichkeitsveränderungen führt.
Ich gebe nicht auf zu hoffen, dass Lehrer und Juristen, Ärzte und Therapeuten und gegebenenfalls auch Eltern etc. irgendwann verstehen, dass Mobbing jeden treffen kann und dann dringender Handlungsbedarf bzw. sogar eine Pflicht zur Hilfeleistung besteht, damit kein bleibender Schaden für Opfer, Organisation (d. h. Schule, Unternehmen, …) und Gesellschaft (d. h. für uns alle) entsteht.
Ich würde mich freuen, wenn zumindest die Justiz bei beweisbaren Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Mobbing eingreift und so wichtige Weichen gestellt werden.
Abschließend: Ich wünsche mir hier weitere Informationen über den Sachstand bzw. Ausgang des Bielefelder Falles oder auch vergleichbarer Fälle.
Hier noch ein Link – den habe ich eben entdeckt – der ein wenig manifestiert wie Klassenpseudogemeinschaften aussehen. Sie sind in der Struktur identische kleine Zirkel/Zellen in unsrer Gesellschaft. Sprich: Keine Gemeinschaften. Es wird nix gemeinsam geschaffen.
http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,753859,00.html
Ja, dass war nicht gerade diskret den Namen zu nennen. Nur bei so massiver Gewalt immer noch zu leugnen, da frage ich mich, was muss den da noch passieren bis sie aufwacht. Letztlich wird auch das vielleicht wenig nützen. Denn wie oben erwähnt, liegt es an der Struktur des Systems. Nach oben wird gebuckelt und nach unten getreten. Das nennt man dann Sozialverhalten lernen. Ich nenne es Sozialdarwinismus lernen: Der Angepassteste überlebt. Auch Gruppenarbeiten stärken kein Sozialverhalten in diesem System; es läuft dann ähnlich wie „früher“ im Sportunterricht den/die kleine/n Dicke/n will keiner in der Gruppe haben. Es ist halt ein Wettkampf mit der Bezeichnung Gruppenarbeit.
Was das Thema Mobbing angeht, ist mir aufgefallen, dass Kinder – nicht nur Kinder – sich, indem sie einzelne aus der „Gruppe ausschließen“ ein Wir-Gefühl verschaffen. Also, wie verschaffen wir uns am einfachsten das (Pseudo)Gefühl, dass wir zusammengehören, indem wir einen rauswerfen. Ich will damit sagen, ihnen fehlt das Gemeinschaftsgefühl. Damit meine ich keine Mannschaften, die GEGEN .. , sondern ein Miteinander für die Gemeinschaft. Und die Kinder sollten sich eingebunden FÜHLEN, als ein Teil einer Gemeinschaft innerhalb einer Gesellschaft. Das wäre eine Mobbing-Prävention, denke ich.
Ich habe als Mutter von vier Kindern sonne und solche Schulleiter erlebt und durch meine Arbeit in der Mobbingberatung ebenfalls. Nennet man Schulleiter beim Namen, kann man manchmal damit rechnen, dass man verklagt wird.
Unsere Richter haben leider sehr oft kein Herz für Mobbingopfer. Dennoch bin ich dafür Namen zu nennen. Immer mehr Opfer gehen an die Öffentlichkeit und das ist gut so.
Meine Tochter wurde an der Bosse Realschule ebenfalls gemobbt. Es ist jetzt Jahre her. Ich hatte damals ein weinendes Kind zuhause, dass nicht mehr zur Schule gehen wollte. Meine Tochter wurde erstmal krankgeschrieben. Frau Prochnau habe ich in diesem Rahmen kennengelernt. Es wundert mich nicht, wie sie sich hier in diesem Fall öffentlich äußert. Sie verwendete auch in unserem Fall generalisierende Wörter wie: immer, alle, keiner, nie. Schlicht könnte man sagen, sie lügt, dass sich die Balken biegen. Später, es gab natürlich kein Mobbing – was ist das überhaupt 🙂 – wurde meine Tochter an die Realschule Senne verwiesen. Ich hatte das Schuldezernat um Hilfe gebeten, eine andere Schule für meine Tochter zu finden. Denn bei meiner verzweifelten Suche nach einer anderen Schule – zusätzlich wurde mir Druck gemacht, es herrsche Schulpflicht – musste ich feststellen, dass Frau Prochnau ihre Kollegen/Innen (SchulleiterInnen) schon in Kenntnis gesetzt – vorgewarnt – hatte. Perfide ohne Ende. Die Tür zur Bosse-Realschule wurde weiterhin weit offen gehalten, alle anderen zugehalten. Sprich: entweder den weiten Weg in die Senne oder Bosse-Realschule (5 Min. Fussweg). Meine Tochter fuhr dann in die Senne. Ein Jahr später, ich bekam einen Hinweis, dass eine Akte beim Jugendamt entstanden war. Der erste Eintrag lautet wie folgt: Christa, dringend, Mutter hält Kind von der Schule fern, fehlt unentschuldigt … . Was ich vielleicht noch erwähnen sollte. Als meine Tochter, krankgeschrieben wegen Mobbing, zuhause war, bekam ich einen Anruf von Frau Prochnau, dieser endete damit, dass Frau Prochnau den Hörer auflegte. Sie sagte mir – zum Ende des Gesprächs, alle seien dort immer zufrieden, keiner habe etwas auszusetzen, nur ich hätte immer ……. . Ich dachte, ich höre nicht richtig, bzw. hat denn die Frau überhaupt zugehört und sagte ihr, es gäbe immer Menschen die immer mit allem zufrieden wären, das sei aber kein Zeichen dafür, dass alles in Ordnung sei. Selbst im Dritten Reich seien sicherlich offiziell alle zufrieden gewesen. Dann war die Leitung tot, Frau Prochnau hatte den Hörer aufgeknallt. Ich spekuliere mal, Frau Prochnaus Telefon lief danach heiß. Leider zum Schaden meiner Tochter. Dass war (m)ein Fehler, ich hätte Frau Prochnau noch weiter die Wangen hinhalten müssen. 🙁
Im Grunde spiegeln manche Schüler nur die Willkür und Machtgewalt der Lehrkörper wieder. 🙁 Und andre fühlen sind ohnmächtig – ohne Macht und schutzlos ausgeliefert. Die Wurzel des Übels liegt mitnichten bei den Schülern. Auch nicht bei den mobbenden Schülern. Vielleicht noch nicht einmal bei Schulleitern wie Frau Prochnau, sie sind auch nur ein Opfer des Systems. Obwohl sie es als Staatsdienerin vertreten/es manifestieren. Unser Schulsystem ist hierarchisch und totalitär, es gibt keine unabhängige Kontrollinstanz – nicht dass ich für mehr Kontrolle wäre. Mitspracherecht gibt es nicht. Rechte für Eltern und Schüler ebenso wenig, aber Pflichten dafür um so mehr.
Ich empfehle mal die Lektüre: „Verdummt nochmal“ von J. T. Gatto. http://www.kindergartenpaedagogik.de/1069.html
Hallo Ilia,
vielen Dank für den Kommentar.
Hinweis für Richter Schulz von der Pressekammer Hamburg:
Ich distanziere mich ausdrückilich von dem hier gesetzten link und mache mir weder die Inhalte dieses links noch aller weiterführenden links zu Eigen.
Es ist unfassbar, wozu Mobber fähig sind. Genauso unfassbar, dass dieses Problem immer wieder ignoriert und verharmlost wird. Und nie fühlt sich wer zuständig, mal einzugreifen (http://menschen.ilia-faye.de/zustaendigkeiten/).
Da muss man als Mobbing-Opfer ja fast schon dankbar sein, wenn aus der psychischen Gewalt physische wird, damit die Anzeige, die man dann erstatten kann, nicht sofort ad acta gelegt wird, damit es nicht mehr reine Ermessens-Sache ist, Mobbing als Körperverletzung zu betrachten – und zu ahnden.
Selbst jahrzehntelange Aufklärung konnte bisher einem großen Teil der Gesellschaft die Gewalt nicht verdeutlichen, die hinter Mobbing steckt.