Hauptkommissar Henning G. übergoss sich mit Benzin und zündete sich an. Der 61-Jährige habe beklagt, der Dienst am Bürger komme zu kurz, sagen Kollegen.
Die Meldung am Wochenende war kurz: Ein 61-jähriger Mann hat sich am Sonnabend auf einem Lankwitzer Friedhof mit Benzin übergossen und angezündet. Er starb dort an den schweren Verbrennungen. Wie der Tagesspiegel erfuhr, handelt es sich bei dem Toten um einen Berliner Polizisten. Henning G. sollte in wenigen Monaten pensioniert werden. Kollegen reagierten erschüttert, auch wegen der besonders grausamen Art des Selbstmordes. „Er wollte damit ein Zeichen setzen“, ist sich ein ehemaliger Kollege sicher. „Sonst hätte er sich mit der Dienstwaffe erschossen, wäre von der Brücke gesprungen oder hätte sich erhängt.“
Doch warum setzte ein altgedienter Polizeibeamter, der kurz vor der Pension stand, seinem Leben auf so spektakuläre und leidvolle Weise ein Ende? Laut Polizei gibt es keinen Abschiedsbrief.
Die amtierende Polizeipräsidentin Margarete Koppers sagte am Montag, es handele sich um einen tragischen Suizid, „der nach bisherigen Erkenntnissen ausschließlich persönliche Gründe hat ohne dienstliche Zusammenhänge.“ Weitere Einzelheiten werde die Polizei nicht veröffentlichen.
Ehemalige Kollegen, die engen Kontakt zu dem Ersten Polizeihauptkommissar hatten, berichten hingegen unabhängig voneinander, dass er seit längerer Zeit „erhebliche Probleme mit der Arbeit“ gehabt hätte – insbesondere mit einem Vorgesetzten. Keiner der Kollegen, die ihm nahestanden und sich gegenüber dem Tagesspiegel äußerten, mochte dies namentlich tun – aus Angst vor personellen Konsequenzen. Alle sagen übereinstimmend, private oder familiäre Probleme des Mannes seien ihnen nicht bekannt.
Knapp 30 Jahre war Henning G. im Abschnitt 55 im Neuköllner Rollbergviertel tätig – eine Dienststelle im sogenannten „Problemkiez“. Bis zum stellvertretenden Abschnittsleiter hatte er es gebracht. Doch im Zuge der Umstrukturierung vor einigen Jahren wurde er „zurückgestuft“, wie es ein Kollege beschreibt, zum Dienstgruppenleiter. 2010 hätte sich die Lage zwischen ihm und dem damaligen Abschnittsleiter, „ein jüngerer Mann aus dem höheren Dienst“, zugespitzt, wie mehrere Kollegen berichten. „Das Menschliche fehlte völlig.“ G. habe sich darüber beklagt, mit Zahlen und Tabellen überhäuft zu werden, „statt vernünftige Einsätze zu planen“, schildert ein Kollege. Das Prinzip des damaligen Chefs wie der gesamten Polizeiführung habe gelautet: „Wir müssen gut dastehen.“ G. habe dies kritisiert. „Das Geschrei zwischen ihm und dem Chef hat man auf der ganzen Etage gehört“, erinnert sich ein Kollege.
Die Auseinandersetzung habe ihm zusehends zugesetzt. So sehr, dass er „vor nicht allzu langer Zeit weinend bei mir auf dem Sofa saß“, berichtet ein Beamter. Henning G. sei ein „altgedienter und exzellenter Polizist“ gewesen. Immer wieder habe er auf „die unbequeme Wahrheit“ aufmerksam gemacht, dass die Polizei am Ende sei, der Dienst am Bürger zurückstehe hinter dem Bemühen, nur noch Zahlen für die Statistik schönzuschreiben. Diese Kritik habe Henning G. gegenüber seinem Chef wiederholt zum Ausdruck gebracht, erzählt der ehemalige Kollege. Schließlich wurde G. im vorigen Jahr auf eine andere Dienststelle versetzt. Doch an seinem neuen Einsatzort, dem Abschnitt 51 in Friedrichshain, habe er kaum noch Einfluss gehabt. Zwischenzeitlich sei er krankgeschrieben gewesen.
Dass möglicherweise auch private Probleme zu den beruflichen hinzugekommen sind, die den Entschluss zum Selbstmord reifen ließen, schließen Kollegen, die ihn gut kennen, aus. Erst kürzlich habe er sich mit seiner Ehefrau eine Eigentumswohnung gekauft, sein Kind stehe vor dem Ausbildungsende. Über Privates habe er nie geklagt, sagt ein Vertrauter. In wenigen Monaten sollte G. in den Ruhestand verabschiedet werden. Er habe sogar ein halbes Jahr länger gemacht, als er eigentlich müsste, „wohl, weil er einen würdigen Abgang machen wollte“, mutmaßt ein Kollege. Doch G. wählte einen anderen Weg. „Die haben mich verbrannt“, soll er einmal gesagt haben.
Kommentar:
Immer wieder hat es in den letzten Jahren Suizide von Polizisten gegeben. Wir haben einen Arbeitskreis Polizei. Auch die Polizei selbst hat Einrichtungen geschaffen, wie z. B. den psychologischen Dienst. Die dortigen Psychologen betreuen Polzisten, die nach einem Überfall, einer Schießerei oder nach schweren Unglücken Polizisten helfen, die unter PTSD leiden. Bei Mobbing ist das Krankheitsbild ähnlich, sodass die dortigen Psychologen auch diese Fälle mit bearbeiten. Warum ist das nicht viel bekannter?
Auch die Gewerkschaften der Polizei sind Ansprechpartner bei Mobbing. Wir müssen überlegen, die Anlaufstellen in einer Broschüre jedem Polizisten zugänglich zu machen. Wer Lust hat sich einzubringen, darf sich gern bei uns melden.