Europa
03.08.2011
Von unsererem dpa-Korrespondenten und Europe Online
Jahrhundertelang haben sie für Ordnung gesorgt, hinter den dicken Mauern des Tower of London. Nun kommt Unruhe in die ehrwürdige Wache der Yeomen Warders. Wenn die Touristen weg und die schweren Tore zu sind, sollen Lotterleben und Mobbing an der Tagesordnung sein.
London (dpa) – Wenn die «Beefeater» in London die Geheimnisse des Tower erklären, dann dreht sich alles um eine Frage: Wer hat wem, wann und wo genau den Kopf abgeschlagen? Die Geschichte des Tower ist eine blutige. Die Geschichte seiner königlichen Wächter – im Volksmund «Beefeater» («Fleischesser») genannt, droht eine schmutzige zu werden. Der ehemalige Chef der erlesenen Truppe angeblich tadelloser Soldaten, Keith Cima, hat jetzt vor Gericht ausgepackt: Mobbing, Korruption und Lotterleben sollen bei den ach so korrekten Gardesoldaten zur Tagesordnung gehören wie die abendliche Schlüsselzeremonie.
Mit den Frauen war es schon immer schwierig im Tower. Schon bei Mary Stuart und Elizabeth I. Aber nun fing alles 2007 an, als sich mit der Schottin Moira Cameron erstmals eine Frau den blauroten Uniformrock mit der Krone auf der Brust überzog. 500 Jahre lang zuvor war die Bewachung des Towers und seiner Kronjuwelen Männersache. Mindestens 22 Jahre müssen sie in der Armee Ihrer Majestät vorzüglich gedient haben, ehe sie sich zum erlauchten Kreis der Tower-Wachen überhaupt nur bewerben dürfen.
Das blieb bis heute so, obwohl die Wachen inzwischen überwiegend Staffage und vor allem für das Herumführen von Touristen zuständig sind. Erhalten blieben auch viele Privilegien. So haben die «Beefeater» exklusiven Zugang zu einem eigenen Pub im Tower und dürfen innerhalb der Festung in Londoner 1-A-Lage in schmucken Dienstwohnungen residieren. Nur die früher übliche Rindfleischration als Teil des Soldes, die der Garde ihren Spitznamen einbrachte, gibt es nicht mehr.
Die Schottin beschwerte sich schnell über Mobbing einiger ihrer 36 männlichen Kollegen. Einer der ehrwürdigen Yeomen Warders, wie die Tower-Wache offiziell heißt, musste seinen imposanten Hut nehmen – später wurde er wieder entschädigt. Doch Ruhe wollte hinter den dicken Mauern der Festung an der Themse, wo ein Wachoffizier schon im Jahr 1598 «Trunksucht, Unordnung und Zank» in der Truppe diagnostiziert hatte, dennoch nicht einkehren. Im Gegenteil.
Nach und nach kamen immer mehr Vorwürfe auf, wie es wirklich zugehen soll bei den Wächtern der unschätzbar wertvollen Kronjuwelen. Junge Touristinnen sollen nicht nur Gratisführungen durch die Juwelenkammer, sondern sogar Übernachtungen in den Wohnungen der Gardisten erhalten haben. Mitten im Allerheiligsten der britischen Krone sollen nicht nur Cannabis-Pflanzen gediehen sein, sondern auch der Schwarzmarkt mit Eintrittskarten. In der Krypta der königlichen Kapelle soll es «nicht genehmigte Empfänge» gegeben haben.
All diese Vorwürfe kamen ans Licht, weil Garde-Chef Keith Cima 2009 gefeuert wurde. Er hatte damals öffentlich geäußert, der Tower habe sich «prostituiert» – unpassend für einen Soldaten seines Dienstgrades, empfand sein Vorgesetzter. Cima musste gehen. Der frühere Generalmajor der britischen Streitkräfte klagt jetzt auf Wiedereinstellung – und nutzte die Gelegenheit seines Auftrittes vor dem Arbeitsgericht in London zur Abrechnung. Cimas früherer Vorgesetzter, Michael Day, hält dieses Ansinnen für «undenkbar».
Kommentar:
London ist gut für Überraschungen. Verdanken wir dem dortigen Gericht doch das erste urteil über 1,2 Millionen Schadensersatz im Fall Helen Green ./. Deutsche Bank, London.
Interessant dürfte hier aber auch das neue Urteil sein im Whistleblowing-Fall vor dem EGMR
http://www.mobbing-zentrale.de/04-mob-block/mobbing/mobbingberatung/mobbing-whistleblowing-urteil-des-egmr.html
So leicht werden Arbeitgeber Personen, die Missstände melden, nicht mehr los in Europa.