Brutale Schülerattacke
Nach Internet-Hetze bewusstlos geschlagen
Update Ein 17-Jähriger ist am Sonnabend in Wedding von rund 20 Jugendlichen bewusstlos geprügelt worden, nachdem er seine Freundin verteidigen wollte. Gegen sie war zuvor auf der Internet-Mobbingseite „Isharegossip“ gehetzt worden.
Die Vorgeschichte: Gegen die 18-jährige Freundin des späteren Opfers war auf der Mobbingseite ein Hetzbeitrag veröffentlicht worden. Unter anderem war sie dort nach Tagesspiegel-Recherchen mit den Worten „Schlampe“ und „Hurentochter“ beleidigt worden. Zudem hieß es, sie habe ein Kind, das „leider eine Missgeburt ist“.
Die 18–Jährige besucht erst seit kurzem die Carl-Bosch-Oberschule in Hermsdorf. Zwar nutzen auch dort – im Vergleich – aber nur wenige Schüler das Mobbingangebot. Anders als bei den üblichen, anonymen Kommentaren, bei der sich die Autoren meist bedeckt zu einer Person äußern, hatte sich in diesem Fall ein mehrtägiger, dialogischer Streit zwischen verschiedenen Mädchenparteien entwickelt.
Möglicherweise handelt es sich um ehemalige Klassenkameradinnen der 18-Jährigen. Dabei wurden in mehreren Beiträgen die gleichen Namen genannt. Es wurden Verdächtigungen aber auch Drohungen ausgesprochen und Schläge angedroht: „Vor allem würde ich ab sofort auf deinen Arsch aufpassen, denn der ist ab jetzt in Gefahr – niemand redet über uns“, hieß es beispielsweise. Wer genau damit gemeint war, bleibt unklar.
Weil der Freund des 18–Jährigen Opfers zunehmend unter der Beleidigungen seiner Freundin gelitten habe, habe er in einem Streitgespräch zwischen den Schülerinnen vermitteln wollen, hieß es bei der Polizei. Bei dem Gespräch sollte der Konflikt geschlichtet werden. Doch das Gespräch scheiterte, da sich zu den mutmaßlichen Verursacherinnen der Internet-Einträge auch deren Freunde gesellten. Die jungen Männer unterstellten dem 17-Jährigen, dass er die Schulkameradinnen bedroht habe.
Daraufhin machte sich der 17-Jährige auf den Heimweg. Gegen 21 Uhr traf er auf dem U-Bahnhof Osloer Straße in Wedding auf die mittlerweile etwa 20 Personen große Gruppe der „Gegenseite“. Ohne große Vorwarnung zerrten sie ihn auf einen nahe gelegenen Parkplatz: Dort traten und schlugen die Angreifer auf ihn ein und attackierten ihn selbst dann noch, als er schon am Boden lag. Als die Täter endlich von ihm abließen, hatte er laut Polizei bereits das Bewusstsein verloren und lag nach Angaben von Zeugen „reglos auf dem Boden“. Im Krankenhaus wurden bei dem Schwerverletzten ein Schädelhirntrauma sowie mehrere Hämatome am Kopf diagnostiziert.
Die Polizei konnte sechs männliche und weibliche Jugendliche – alle arabischer und türkischer Herkunft – zwischen 14 und 18 Jahren als Tatverdächtige ermitteln. Sie wurden am Montag vorläufig festgenommen. Die drei jungen Männer sollen einem Haftrichter vorgeführt werden. Das zuständige Kommissariat für Jugendgruppengewalt ermittelt.
Er habe von dem Vorfall gehört, aber nichts von der Verbindung zu „Isharegossip“ gewusst, sagte der Schulleiter der Carl-Bosch-Oberschule Dietmar Weißleder. „Generell gibt es dort wenig Kommentare von unseren Schülern im Vergleich zu anderen Schulen.“ Zudem gehe der Freund des besagten Mädchens nicht auf die Schule. In Bezug auf den Umgang mit der Mobbingplattform rate die Schule ihren Schülern, sich durch die Kommentare nicht reizen zu lassen. Außerdem habe der Schulleiter sich bei der Polizei schon vor dem Fall bezüglich rechtlicher Schritte gegen den Betreiber der Seite erkundigt und habe erfahren, dass nicht viel gegen ihn gemacht werden könne. Generell wollten sie an der Schule jetzt aber keine Bedrohungsszenarien aufbauen und dem Thema „Isharegossip“ nicht zu viel Raum geben. „Ich finde es falsch, dass bei allen gesellschaftlichen Problemen immer die Schule verantwortlich gemacht wird“, sagte Weißleder.
Kommentar:
Der Ansatz von Herrn Weißleder ist aus meiner Sicht falsch. Wenn 20 Schüler seiner Schule keine Hemmungen haben auf einen einzelnen am Boden liegenden Schüler einzuschlagen und einzutreten, muss sich der Schulleiter, unabhängig davon, ob er von einem Zusammenhang zu IShareGossip gewußt hat, fragen lassen, ob er dem Erziehungsauftrag vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft aus seinen Schülern zu machen, bisher gerecht geworden ist. Was für ein Umfeld führt dazu, dass Schüler ihre Beißhemmung dermaßen verlieren?
Andere Schulleiter sehen sich stärker in der Verantwortung und haben schnell reagiert auf IShareGossip und sind teilweise in großem Rahmen – mit Erfolg! – tätig geworden. An diesen wird sich auch Herr Weißleder messen lassen müssen, wenn die Einzelheiten des Vorfalles vor Gericht zur Sprache kommen.