Share dich zum Teufel – taz

Schüler-Mobbing im Netz
Share dich zum Teufel

Lästereien und Diffamierungen: Die Website iShareGossip.com ist längst ins Blickfeld von Anti-Mobbing-Initiativen geraten. Auch die Staatsanwaltschaft ermittelt. VON Frederic Valin

Hart, härter, iShareGossip.com: In diesem Messageboard können Jugendliche ihre „Neuigkeiten, Gerüchte und Lästereien“ posten und diskutieren lassen. Die Seite wirbt damit, ihre Nutzer absolut anonym zu behandeln. Die Botschaft lautet: hier könnt ihr ruhig die Sau rauslassen. Und so ist es dann auch: „wer hat den geilsten arsch der schule?!“, fragt ein User, oder: „hübschestes/hässlichstes mädchen?“

„Etwas Vergleichbares hat es im deutschen Internet bisher noch nicht gegeben“, sagt Margit Ricarda Rolf von der Mobbing-Zentrale in Hamburg. „Vor allem die Dreistigkeit, mit der hier vorgegangen wird, ist einmalig.“ Ins Blickfeld der Mobbingexperten geriet iShareGossip schnell: Immer wieder, beinahe täglich, tauchen Diffamierungen eindeutig identifizierbarer Personen auf, manchmal auch mit vollem Namen. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main ermittelt.

Dann kann in den ersten Google-Ergebnissen zum Namen neben dem Facebook-Profil auch die Festellung stehen, der Betreffende sei „ein Opfer“ und sehe aus „wie ein stück scheße“. Die Seite ist auch eine Dokumentation über die Beschimpfungspraxis deutscher Teenager: momentan sind „Opfer“ und „Knecht“ als Herabwürdigungen sehr verbreitet – und „Jude“.

Viele Schüler wollen bei solch übler Nachrede nicht tatenlos zusehen. Häufig versuchen Nutzer, mäßigend in die Diskussion einzugreifen und die Mobber zu Fairness und Mäßigung zu überreden – mit geringem Erfolg. Die Zahl der diffamierenden und verletzenden Posts hat die letzten Wochen eher zu- als abgenommen. Bisweilen melden sich auch die Beleidigten zu Wort, oft aber trauen sie sich nicht.

„Es ist gut, die Beiträge zu dokumentieren“, sagt Stefanie Kutscher von klicksafe.de, der EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz, zum Beispiel durch Screenshots. Wichtig sei auch, die Schule zu benachrichtigen, damit sie sich mit dem Thema auseinandersetzt. Und vor allem sollen Mobbing-Opfer darüber reden, mit den Eltern, mit Lehrern, mit Hilfsangeboten wie der Nummer gegen Kummer.

Es gab einige Versuche, die Seite vom Netz zu nehmen: den Ermittlungsbehörden liegen Anzeigen vor wegen Beihilfe zur Beleidigung, übler Nachrede oder auch Bedrohung. Allerdings ist die Seite in Schweden gehostet: die Behörden hoffen auf Amtshilfe ihrer Kollegen vor Ort. Das Familienministerium hat bereits einen Indizierungsantrag gestellt, damit die Seite zumindest über deutsche Suchmaschinen nicht mehr auffindbar ist.

Einen anderen Weg will Margit Ricarda Rolf einschlagen. „Wir versuchen zivilrechtlich vorzugehen.“ Sollte sich ein konkretes Opfer finden, das bereit wäre, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, wäre es möglich, die Seite pfänden zu lassen. Dann würden die Betreiber ohnehin bekannt werden. Bis dahin seien vor allem die Schulen gefordert, über das Thema zu sprechen und die Schüler zu sensibilisieren.

Wann die Gegenmaßnahmen Erfolg haben, ist nicht abzusehen. Inzwischen organisiert sich auch bei den Nutzern der Seite der Widerstand: vor zwei Wochen hatten sich einige kritische Moderatoren verabredet, massenhaft Spambeiträge freizuschalten. Sie wurden alle ihrer Pflichten enthoben. Bis heute überschwemmen Kritiker die Seite so oft es geht mit unsinnigen Beiträgen.

Die Betreiber der Seite äußern sich normalerweise nicht zu den Vorwürfen. Alexander Liepa, laut Impressum Verantwortlicher, reagiert auch nicht auf die taz-Anfrage. Nur dem Stadmagazin Journal Frankfurt gab einer der Betreiber ein Interview. Der Erfolg der Seite käme in erster Linie dadurch zustande, dass sie die Rachegefühle und die Feigheit der Nutzer bediene. Auf die Frage, was er tun würde, wenn jemand wegen iShareGossip von der Brücke springt, wusste er kaum etwas zu sagen: „Eine Katastrophe wäre das, absolut katastrophal. Aber so spontan kann ich dazu nichts sagen. Da müsste ich ausführlicher drüber nachdenken.“

Sollten Staatsanwaltschaft oder die Mobbing-Zentrale in Hamburg Erfolg haben, hätte das einen angenehmen Nebeneffekt: die Macher hätten etwas Zeit, sich auch mal Gedanken zu machen

Quelle: http://www.taz.de/1/netz/netzkultur/artikel/1/share-dich-zum-teufel/

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Über Ricarda

Margit Ricarda Rolf - Gründerin und Leiterin der Mobbing-Zentrale mit mehr als 12.000 erfolgreich beendeten Mobbingfällen.
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3 Antworten zu Share dich zum Teufel – taz

  1. Ricarda sagt:

    Hallo Peter,

    das kommt immer darauf an, wieviele Personen geschädigt wurden. Bei einem Fall im Krankenhaus mag die Rechnung aufgehen, aber bei einer Vielzahl von Geschädigten summiert sich das. Jede einzelne Straftat wirkt sich ja auf das Strafmaß aus und ist eine Wiederholungstat. Ein Einbrecher, der nur einmal erwischt wurde, bekommt Bewährung, ein Serientäter dagegen nicht.

    Jeder Geschädigte hat auch einen eigenen Anspruch auf Schadensersatz und wir bewegen uns hier im Bereich Diskriminierung. Da kommen schon etwas andere Summen zustande.

  2. Peter sagt:

    Total überzogen…wegen dieser Seite wird absolut niemand auch nur in die Nähe eines Gefängnisses kommen…man muss die Kirche auch mal im Dorf lassen! Und Schadensersatz im 6-stelligen Bereich sind auch völlig aus der Luft gegriffen…mehrere Wochen im Krankenhaus mit schwersten Verletzungen bringen gerade einmal ein paar tausend Euro!

    in diesem Sinne

    fröhliche Hexenjagd!

  3. Ricarda sagt:

    Sollte es tatsächlich gelingen die Betreiber zu fassen, was aus meiner Sicht nur eine Frage der Zeit ist, dann wartet nicht nur die Staatsanwaltschaft auf sie. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche dürften im jeweils 6stelligen Bereich liegen. Da liegt man schnell im Millionenbereich, gerade weil die Seite nicht in Deutschland gehostet wird.

    Wenn die Betreiber tatsächlich berliner Studenten sein sollten, können sie wohl den Rest ihres Lebens zahlen und brauchen sich auf ein erfolgreiches Berufsleben nicht emhr einzurichten. Darüber sollten sei einmal nachenekn, denn das trifft viel härter als ein oder zwei Jahre abzusitzen.

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