Bereits der Petitons-Ausschuss hat 1997 darauf hingewiesen, dass Mobbing eine ganze Reihe von Straftatbeständen erfüllen kann.
Da gibt es die Beleidigung, üble Nachrede, Körperverletzung, seelische Körperverletzung
bis hin zum versuchten Totschlag oder Totschlag, wenn sich das Opfer das Leben nimmt.
Das alles sind Antragsdelikte.
Der Betroffene selbst muss einen Strafantrag stellen,
also den Antrag, die Strafsache zu verfolgen (oder seine Hinterbliebenen).
Ganz anders bei Nötigung!
Wenn jemand von einer Nötigung Kenntnis erhält, kann er dies anzeigen.
Die Staatsanwaltschaften müssen von Amts wegen die Ermittlungen aufnehmen.
Ein Strafantrag ist nicht erforderlich.
Das hat bei Mobbing/Bossing den besonderen Charme,
dass auch wir als Mobbing-Zentrale die Staatsanwaltschaften einschalten können.
Das würden wir natürlich nicht gegen den ausdrücklichen Willen unserer Kunden tun.
Wir nehmen aber dadurch die Betroffenen aus der direkten Schusslinie.
Noch vor zehn Jahren habe ich regelmäßig solche Anzeigen geschrieben.
Die Staatsanwaltschaften mögen das aber nicht
und mit den Einstellungsmitteilungen könnte ich tatsächlich tapezieren.
Mit den ersten Nötigungen wurden ich bereits kurz nach Gründung
der Mobbing-Zentrale konfrontiert.
Es gab in einer Hotelkette eine Häufung von türkischen und griechischen Zimmermädchen, die insofern auffällig waren, als alle mehr als 10 Jahren beschäftigt waren und nur wenig deutsch sprachen. Sie waren sehr ängstlich und wollten nicht sagen, warum sie plötzlich einen Aufhebungsvertrag unterschrieben haben.
Kurze Zeit später lernte ich auf einem Seminar einen Mann kennen, der für diese Hotelkette als Führungskraft gearbeitet hatte.
Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir folgende Geschichte:
Die Hotelkette hatte einen ehemaligen Kripo-Mann als Hausdetektiv eingestellt.
Man wollte die Zimmermädchen, die einen Anspruch auf die Betriebsrente hatten, kostengünstig los werden. Also präparierte man 5-DM-Stücke und legte sei auf die Nachtschränkchen. Die Frauen steckten sie als Trinkgeld ein.
Dann rief man sie ins Büro, bat sie, ihre Hände in eine Schüssel zu tauchen und die Hände verfärbten sich. Man konfrontierte die Frau mit dem Vorwurf, es würden DM 1.000 aus der Kasse fehlen und wenn sie den Aufhebungsvertrag unterschreiben würden, würde man darauf verzichten die Polizei zu holen. Die Frauen unterschrieben.
Mit unserem Seminarteilnehmer war so etwas nicht zu machen. Er kündigte.
Als Zeuge wollte er aber nicht zur Verfügung stehen. Ich schrieb zwei meiner Kundinnen an und fragte sie nach diesen Vorfällen. Wir trafen uns und sie berichteten unter Tränen – unabhängig voneinander – dass es sich genau so abgespielt hatte.
Nun wollte ich den Fall zur Anzeige bringen. Dazu kam es nicht.
Beide Frauen hatten Angst. Nicht vor der Polizei!
Sie hatten Angst vor den eigenen Ehemännern, die sie womöglich, sobald das Wort Polizei gefallen wäre, verprügelt hätten.
Von dem Hausdetektiv hat sich die Hotelkette nach kurzer Zeit getrennt.
Die Frauen haben alle in verschiedenen Häusern gearbeitet und kannten sich untereinander nicht.
Überflüssig zu erwähnen, dass es einen Betriebsrat ohnehin nicht gab.
Im Laufe der letzen 18 Jahre habe ich lernen dürfen, wie menschenverachtend Arbeitgeber sein können. So viel Fantasie kann man nicht haben, um sich solche Geschichten auszudenken, wie das tägliche Leben sie uns tatsächlich bietet.
Immer wieder erlebe ich, dass Arbeitnehmer genötigt werden,
Dinge zu tun oder zu unterschreiben, die sie unter normalen Umständen nicht tun würden.
Ich möchte euch noch ein zweites Fallbeispiel nennen.
Eine Postbotin wurde verdächtigt, Geldbomben geklaut zu haben.
Der externe Sicherheitsdienst fing sie ab, führte sie in einen Raum
und nötigte sie über Stunden – ohne Gang zur Toilette – mit der
Durchsuchung ihrer Wohnung einverstanden zu sein.
Sie fuhren mit zwei Fahrzeugen zur Wohnung,
ohne dass die junge Frau ihren Verlobten informieren konnte.
Dann stellten sie die ganze Wohnung auf den Kopf – und fanden – nichts!
Wir haben diesen Fall einvernehmlich mit der Post und einem sehr kompetenten Betriebsrat gelöst und ein für alle mal klar gestellt, dass sich so etwas niemals wiederholen wird.
Der Fall liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück
und auch hier wurde von einer Anzeige abgesehen.
In beiden Fallbeispielen – reale Fälle aus meiner Praxis – dürfte der Straftatbestand der Nötigung erfüllt gewesen sein.
Im trockenen Juristendeutsch hört sich das übrigens so an:
§ 240
Nötigung
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. eine andere Person zu einer sexuellen Handlung nötigt,
2. eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
3. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht.
Aber ganz ehrlich, meine Fallbeispiele sind deutlicher.
Noch einen Fall zu guter letzt:
Eine junge Sachbearbeiterin bei einer Krankenkasse war schwanger.
Ihr Chef war homosexuell.
Er war wütend, weil sie in den Mutterschutz gehen würde
und schickte sie in den Keller.
Dort musste sie den ganzen Tag schwere Kisten stapeln.
Die Wehen setzen vorzeitig ein, sie brach zusammen
und kam in unsere Beratung.
Unter Tränen berichtete sie mir, der Chef hätte ihr gesagt:
„Das Balg ist ja auch in dich rein gekommen, dann wird´s schon wieder raus kommen.“ Das war im Keller – natürlich ohne Zeugen.
Ich schaltete das Amt für Arbeitsschutz ein und ihr Arzt zog sie aus dem Verkehr.
Auch hier wollte ich eine Anzeige erstatten.
Ihr Mann hat es, mit Rücksicht auf ihren Gesundheitszustand – verhindert.
Leider, denn für diesen Vorgesetzten blieb das ohne Folgen.
Die junge Frau nahm nach der Geburt drei Jahre Elternzeit.
Im Öffentlichen Dienst kann man das.
Ich habe bei all diesen Fällen immer auch die Möglichkeit der Strafanzeige im Sinn.
Wenn es nur nach mir ginge, würde ich jeden Fall zur Anzeige bringen,
wie Ladenbesitzer es bei Ladendiebstahl auch machen.
Meine Möglichkeiten finden aber dort ihr Ende, wo mein Kunde „NEIN“ sagt.
Margit Ricarda Rolf
. – Mobbing-Zentrale –
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