Die Worte Kompetenz, Konzepte, Verantwortung und Affenzirkus hatten am Donnerstag im Parlament eine hohe Trefferquote. Parlamentarier diskutierten über Verleumdungen im Internet – und schimpften kräftig mit.
Alle Parteien sprachen beim Umgang mit Mobbing im Internet von Medienkompetenz, die Opposition forderte naturgemäß Konzepte und mehr Verantwortung vom Senat, die Grüne Clara Herrmann sprach von „sozialdemokratischem Affenzirkus“, und SPD-Bildungssenator Jürgen Zöllner fühlte sich als „Teil des Affenzirkus“ gemobbt.
Die Debatte, während deren einige Abgeordnete selbst auf den Bildschirm ihres Laptops schauten, hat einen ernsthaften Hintergrund. Internetbeiträge auf Hetzseiten wie Isharegossip.com handeln zunehmend von Beleidigungen, Bedrohungen, Verleumdungen oder von angedrohten Straftaten wie kürzlich ein Amoklauf. Berliner Schulen meldeten im laufenden Schuljahr bisher 41 Vorfälle von Gewaltdarstellungen, davon liefen 30 explizit über das Internet.
CDU-Bildungspolitiker Sascha Steuer forderte eine bessere Fortbildung der Lehrer. Mit einem dreistündigen Kurs könnten Lehrer nicht „fit für das 21. Jahrhundert“ gemacht werden. Jede Schule müsse Medienkompetenz als verbindlichen Bestandteil des Unterrichts haben.
Staatstragend argumentierte die SPD-Politikerin Felicitas Tesch, dass alle Schüler zu „demokratischen Menschen“ erzogen werden sollten und dass alle an einem Strang ziehen müssten. Angebote gebe es reichlich, und die Schulen seien sehr wohl im Internet-Zeitalter angekommen.
Dass die Aufklärung der Kinder und Jugendlichen über die Gefahren im Internet eine „Aufgabe für alle“ sei, stellte auch die Linkspolitikerin Gabriele Hiller dar. Doch diese Aufgabe ist offenbar auch für die Politiker schwer fassbar. Hiller fragte in das Plenum, warum Jugendliche so aggressiv seien, ob sie vielleicht vom Schulalltag überfordert seien, ob Eltern überzogene Erwartungen hätten. Und sie kam zu der Erkenntnis, dass man Heranwachsende „schützen“ müsse.
Die Schlussfolgerung bei FDP-Bildungspolitikerin Mieke Senftleben lautete: ein „integriertes pädagogisches Konzept, eigenverantwortliche Medienkompetenz“ und „Verantwortungsdiffusion“. Es war die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann, die Verunglimpfungen aus dem Internet vorlas und damit das Problem auf den Punkt brachte: „Mobbing im Internet hört nicht an der Klotür auf, sondern verfolgt die Opfer überall.“ Gegen veröffentlichte Beiträge könnten sich Opfer kaum wehren. „Dieses Phänomen ist nicht vom Himmel gefallen“, sagte Herrmann. Das sei kein neues Phänomen und auch kein „Wahlkampfgetöse“ der Opposition, zitierte Herrmann SPD-Bildungspolitikerin Tesch. „Herzlich willkommen im sozialdemokratischen Affenzirkus“, sagte Herrmann. Sie forderte unabhängige Ombudsstellen für Mobbing-Opfer. Cybermobbing müsse man ernst nehmen.
Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) gab unumwunden zu, dass das Problem nicht gelöst sei. „Aber das, was machbar ist, machen wir.“ Menschen würden dazu neigen, andere zu verunglimpfen. Nur das, was im Internet geschehe, habe eine neue Qualität gefunden. Zöllner erwähnte die vielfältigen Programme gegen Mobbing, er sprach von dem Notfallplan Mobbing, von der Anti-Mobbing-Fibel und davon, dass Mobbing „mindestens genauso schlimm wie eine körperliche Verletzung“ sei.
Zu Recht forderte Zöllner parteiübergreifend in der Debatte „ein Minimum an gegenseitiger Wertschätzung“ und kommentierte den von Herrmann erwähnten „sozialdemokratischen Affenzirkus“ mit einer Befindlichkeit. „Ich fühle mich gemobbt“, sagte Zöllner. Das sollte humorvoll sein, angesichts der Schwere von Cybermobbing war die Äußerung „ eher unpassend“, wie Gäste auf der Besuchertribüne raunten.
Nach dem Beschluss der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist Isharegossip seit Mittwoch nicht mehr über Suchmaschinen im Internet aufzurufen. Damit ist die Seite zwar schwerer zu finden, aber Schüler, die sie kennen, können weiterhin auf sie zugreifen.
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/mobbing-im-abgeordnetenhaus/4010958.html