Das Mobbingsyndrom – A. Bämayr

Argeo Bämayr hat 20 Jahre Mobbingbetroffene als Psychiater und Therapeut begleitet.
Ich habe ihn durch den spektakulären Fall Dorit Köhn ./. Bayerische Landesbank kennengelernt.
Jetzt, offensichtlich im Ruhestand erscheint ein Buch, das gut geeignet ist, sein umfangreiches
Wissen an andere weiterzugeben.

Ich möchte jedoch eines vorweg schicken:
Es ist nicht richtig, dass von Firmenleitungen Unterstützung der Opfer nicht zu erwarten ist.
Wir lösen annähernd 90 % aller Fälle einvernehmlich mit Firmenleitungen und Betriebsräten.
Dasselbe melden mir die Rechtsanwälte unseres Juristischen Fachausschusses.
Den Psychiater aufsuchen müssen überhaupt nur die verbleibenden 10 %.

Ohne exakte Zahlen nennen zu können, erlebe ich es in der Beratung wie folgt:
Mobbingbetroffene ohne ärztliche Hilfe, die sich selbst helfen:
1. Marathonläufer
2. Yoga
3. Spazieren mit dem Hund
4. Gartenarbeit
Mobbingbetroffene mit ärztlicher, aber ohne psychiatrische Hilfe:
1. Hausarzt
2. Heilpraktiker
3. chin. Medizin
4. Coach
Mobbingbetroffene mit psychiatrischer Hilfe:
1. nur für die Krankschreibung
2. mit Antidepressiva
3. Überweisung zur Therapie

Alle diese Personen werden nicht von Psychiatern begleitet, wie Bämayr es getan hat. Sie machen etwa 90 % der
Betroffenen aus.
Nur die restlichen 10 % fallen in die von Bämayr beschriebene Gruppe und davon sind es weit weniger als 1 %,
das in eine Klinik geht.

Das sollte der Leser dieses Buches bitte im Sinn behalten.
Psychiater, wie Bämayr behandeln Mobbingbetroffene ab Eskalationsstufe 3.
———————–

Nun zu seinem Buch:

Dass Bämayr zu den Guten gehört, weiß ich ja schon seit mehr als einem Jahrzehnt.
Seine Art zu formulieren dagegen, kenne ich bisher nur aus Gutachten.
Sein Buch ist daher eine kleine Überraschung!

Zitate:
„Bei diesen Gegebenheiten verwundert es nicht mehr, dass bisher nur wenige, den humanen Charakter
bewahrende Staaten, wie etwa Skandinavien und Frankreich, die psychische Gewalt auch in Form von
Gesetzen einzudämmen versuchen. Deutschland gehört nicht dazu!“

Damit spielt Bämayr darauf an, das jene Staaten Anti-Mobbinggesetze haben, Deutschland dagegen nicht.
Frau Merkel ist ja auch mit der Euro-Rettung beschäftigt, da bleibt für das Anti-Mobbinggesetz keine Zeit.
—————–

„Diese Beobachtung lässt sich auf politische Karrieren übertragen, wobei hier auf hohe sachliche Kompetenz
noch eher verzichtet werden kann als in der Wirtschaft.“

Herrlich formuliert und den Nagel auf den Kopf getroffen.
——————
Seine Homepage:

http://www.baemayr.net/
——————

Ein hübscher Gedanke findet sich auf S. 38:
Egoistische Alpha-Typen zetteln Kriege an, um sich der jugendlichen männlichen Konkurrenz zu entledigen.
———————
Bämayr behandelt natürlich vor allen Dingen Mobbingbetroffene ab Stufe 3, also jene Fälle, die noch nicht in
die Klinik müssen, aber auch nicht mehr in der hausärztlichen Praxis behandelt werden können.
Er geht ausführlich auf die vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Mobbingbetroffenem und Therapeuten ein.
Wir gehen einig, dass insbesondere Diagnosen wie die Anpassungsstörung eine Fehldiagnose ist.
Treffend bezeichnet Bämayr sie als Opferbeschuldigung und stellt klar: man kann sich nicht an Psychoterror anpassen!
———————–
Sehr schön: Bämayr weist darauf hin, dass Psychopharmaka keine Lösung sind!
Therapeuten, die damit die Opfer ruhig stellen, damit sie den Psychoterror erdulden,
machen sich zu indirekten Komplizen der Mobber.
Sehr schön formulert!
————————-
Bämayr tritt dafür ein, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit dem Opfer zu überlassen,
das selbst entscheiden soll, ob es sich zutraut sich wieder der Gefahr des Psychoterrors auszusetzen.
Er beanstandet – zu Recht – Entscheidungen insbesondere des medizinischen Dienstes nach Aktenlage,
vor allen Dingen dann, wenn sie der des Therapeuten widerspricht.
Dem stimme ich uneingeschränkt zu!
——————–
Bämayr geht weiter auf die Therapie ein und die Einschränkungen. Ein Trauma sollte durch Traumatherapie behandelt werden können,
was jedoch die Kassen nicht zahlen. So behelfen sich Therapeuten mit Verhaltenstherapie, Psychoanalyse oder Tiefenpsychologie,
müssen aber auch hier Sanktionen fürchten, dies zunehmend seit 1990!
Medizinischer Dienst, Fallmanager bei den Krankenkassen und Therapeuten lassen sich instrumentalisieren
und empfehlen Betroffenen häufig selbst zu kündigen. Wer so etwas erlebt, sollte dringend den Therapeuten wechseln
und diesen ggf. bei der zuständigen Kammer anzeigen.
———————-
Vervollständigt wird die Gewalt von Arbeitämtern, durch Hartz IV und Frühverrentung und
Gutachten durch Laien. Dadurch setzt sich Mobbing auch nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis durch Behörden fort.
Zuletzt besiegelt eine Rechtsprechung die Gewalt, weil Richter keine Lust haben
ihre Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zuzuführen.
—————————

So schließt sich der Kreis der Gewalt. Auf der Strecke bleiben die Opfer.
Bämayr appeliert an die Politik. Auch damit liegt er richtig, denn wir haben seit April 2007
die europäische Rahmenvereinbarung IP 07/569, die die europäischen Staaten verpflichtet
binnen drei Jahren ein Anti-Mobbinggesetz zu verabschieden. Das müsste also
eigentlich schon seit April 2010 bestehen! Frau Merkel ist derzeit aber mit so wichtigen
Themen wie Euro-Rettung, Griechenlandrettung und Wahlvorbereitung beschäftigt.
Wen interessieren da die annähernd 1.300 Suizide jährlich?
—————————

Ich empfehle dieses Buch meinen Netzwerkpartnern, die Mobbingbetroffene begleiten.
Das gilt insbesondere für: Hausärzte, Psychiater, Therapeuten, Coachs, Rechtsanwälte und Mediatoren.
Aber auch Mobbingbetroffenen kann ich es – trotz der vielen medizinischen Begriffe – ans Herz legen.

Es ist erschienen im Europäischen Universitätsverlag
ISBN 978-3-89966-514-7 Kosten: € 29

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Über Ricarda

Margit Ricarda Rolf - Gründerin und Leiterin der Mobbing-Zentrale mit mehr als 12.000 erfolgreich beendeten Mobbingfällen.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Hilfe, Mobbing, Mobbing-Zentrale, Mobbingberatung abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

6 Antworten zu Das Mobbingsyndrom – A. Bämayr

  1. Vor ein paar Jahren klagte ein Kollege, Bossing Opfer zu sein. Weder ich, noch meine anderen Kollegen konnten etwas damit anfangen. Obwohl wir ihn alle mochten, hielten wir ihn (fälschlicherweise) für einen Schwächling. Jahre später wurde ich dann selber ein Bossing-Opfer. Damit bekam ich die Tragweite dieses Psychoterror am eigenen Leibe zu spüren. Obwohl ich mich nach wie vor für eine starke Person halt, haben mich die Angriffe in der Anfangsphase völlig fertig gemacht. Ich finde es daher sehr wichtig, dass in der immer schnelllebigeren und konkurrenzbetonteren Firmenwelt das Thema Mobbing aufgearbeitet wird. Es kann nicht sein, dass man Mobbing für ein Kavaliersdelikt hält und die Umherstehenden gar nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Vielen Dank für Eure tolle Arbeit. Ich drücke Euch die Daumen, dass Ihr zu weiterer Aufklärung und Thematisierung des Mobbings in der Gesellschaft beitragen könnt.

    • Ricarda sagt:

      danke.

      Ich habe deinen Beitrag zwar frei geschaltet und deine Seite aufgesucht, kann auch teilweise nachvollziehen, dass du anonym bleiben möchtest, denke aber, da kann noch etwas wachsen. Damit will ich dich nicht drängen, nur anregen.

      Deutschland fehlen ungefähr 2.000 professionelle Mobbingberater. Ein Standbein zu haben für die Grundversorgung ist wichtig. Und was kommt dann?

  2. Ricarda sagt:

    Ich bin selbständige Mobbingberaterin und arbeite mit vielen Stellen zusammen.

  3. Sehr geehrte Frau Ricarda!
    Danke für Ihre Buchbeschreibung – Das Mobbingsyndrom von Dr. Bämayr Argeo.
    Meinen Erfahrungen nach im Rahmen der Selbsthilfegruppe für Mobbingopfer kann ich sagen, dass 80 % aller Betroffenen aus dem Staatsdienst kommen, oder aus staatsnahen Unternehmen, und dass es KEINE Möglichkeit gibt, innerbetrieblich eine Lösung zu erarbeiten, da es a) kein Bewusstsein in der Führung gibt, und b) es oft subtil darauf angelegt wird, die Menschen arbeitsunfähig zu machen und aus dem Betrieb zu scheiden – siehe auch „für innerbetriebliche Anlaufstellen“:
    http://www.selbsthilfegruppe-mobbing-graz.at/f%C3%BCr-innerbetriebliche-anlaufstellen/
    Auch Korruption spielt eine große Rolle bei Mobbing – die, die diese nicht ausführen möchten, werden gnadenlos als „Verräter“ rausgemobbt, drangsaliert, sanktioniert, isoliert. Ich würde mEn sagen: 80 % aller Mobbingfälle sind aussichtslos – und haben Job/Existenzverlust zur Folge, lediglich 10-20 % sind innerbetrieblich „irgendwie“ lösbar, wenngleich die Lösung oft durch Versetzung, Abqualifizierung etc. als aushaltbar empfunden wird, jedoch nicht als Lösung im Sinne des Wortes.
    Beste Grüße aus Graz,
    Eva Pichler

    • Ricarda sagt:

      Hallo Eva Pichler,

      das mag auf die Mobbing-Selbsthilfegruppe in Graz durchaus zutreffen. Insgesamt kann ich das keineswegs bestätigen.

      Ich bin jetzt seit 16 Jahren selbständige Mobbingberaterin und wir lösen hier 90 % aller Fälle einvernehmlich, auch im Öffentlichen Dienst. Das mag an meiner Methode liegen. Ich schreibe den Arbeitgeber auf Wunsch grundsätzlich an und biete ein Gespräch an. Nur sehr selten findet kein Gespräch statt. Einen Teil dieser Fälle kann man auf meinen Internetseiten nachlesen. Die Mehrheit aller Arbeitgeber zieht es vor dort nicht namentlich zu stehen.

      Meine professionelle Arbeitsweise unterscheidet sich wesentlich von der Arbeit in einer Selbsthilfegruppe.

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